Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) darf Kommentare, die die Netiquette des Senders verletzen, von seiner Facebook-Seite löschen. Dies bestätigte das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) mit Urteil vom 16. September 2020 (5 A 35/20) und wies die Berufung eines Facebook-Nutzers zurück, der gegen das Löschen seiner Kommentare durch den MDR geklagt hatte. In dem Verfahren vertraten Dr. Martin Diesbach (Partner) und Wenzel Steinmetz (Associate) den MDR erfolgreich.

Der Sachverhalt und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig

Der Kläger hatte verlangt, die Gerichte mögen feststellen, dass der MDR  seine Kommentare auf der Facebook-Seite des Senders rechtswidrig gelöscht habe. Der MDR verwies hingegen auf seine „Regeln für das Erstellen eines Kommentars“ und den damit verbundenen Vorbehalt, Kommentare bei Verstoß gegen diese Netiquette zu löschen.

Das Verwaltungsgericht Leipzig (1 K 1642/18) entschied in erster Instanz, der MDR habe durch Löschen der Kommentare zwar in die Meinungsfreiheit des Klägers eingegriffen. Dieser Eingriff sei jedoch durch das virtuelle Hausrecht des Senders gedeckt. Die Diskussion, die sich aus den Nutzerkommentaren ergebe, werde durch die MDR-Redakteure redaktionell begleitet, was zeige, dass das Angebot keine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Online-Plattform sei, für deren Inhalt der Sender keinerlei Verantwortung übernehme, sondern ein Rundfunkangebot. Im Rahmen seines virtuellen Hausrechts dürfe der Sender die Löschung der Kommentare auf seine Netiquette, die in zulässiger Weise Verhaltensregeln ausformuliert, stützen.

Gegen die Abweisung der Klage legte der Kläger Berufung ein mit dem Argument, die Netiquette des MDR sei rechtswidrig und – weil sie fremdsprachige Beiträge nicht zulasse – versteckt diskriminierend.

Das Urteil des Sächsischen OVG

Das Sächsische OVG folgte dem nicht. Angesichts der journalistisch-redaktionellen Intention sei die vorgenommene Löschung von Kommentaren dem durch die Rundfunkfreiheit des MDR geschützten Bereich der Programmfreiheit zuzuordnen. Die Netiquette des MDR konkretisiere dabei die sich aus dem Rundfunkstaatsvertrag ergebenden Anforderungen für das Erstellen eines Kommentars. Danach würden nur sachbezogene Kommentare auf der Facebook-Seite veröffentlicht. Auf die Frage, ob fremdsprachige Kommentare veröffentlicht  würden oder nicht, komme es hier nicht an, weil der fraglichen Kommentare des Klägers auf Deutsch verfasst worden seien.

Auch das OVG bejahte einen Eingriff in die Meinungsfreiheit des Klägers. Ebenso wie das Verwaltungsgericht stellte es jedoch fest, dass der MDR rechtmäßig handle, wenn er die Möglichkeit der Kommentierung auf seiner Facebook-Seite nur im Rahmen der in der Netiquette festgelegten Benutzungsregeln einräume. Danach sei konstruktive Kritik erwünscht; nicht themenbezogene Kommentare seien aber unerwünscht und insofern nicht mehr vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst.

„Das Urteil – das erste seiner Art in der zweiten Instanz ‑ bestätigt erneut, dass Landesrundfunkanstalten als Betreiber von moderierten Facebook-Seiten keine sachfremden oder unseriösen Kommentare dulden müssen“, erklärt Martin Diesbach. „Die Gerichte ziehen die Grenze der Meinungsfreiheit dort, wo Kommentare im keinem erkennbar inhaltlichen Bezug mehr zu den Diskussionen auf der Online-Plattform stehen. Diese Kommentare dürfen die Betreiber mit Verweis auf ihrer Netiquette entfernen.“

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen .

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