Mit dem vergangenen Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag legt die künftige Ampelkoalition neben anderen gesellschaftsrelevanten Themen einen starken Fokus auf die Themen Modernisierung und Digitalisierung.

Dabei werden auch Denkansätze und Ideen formuliert, die zukünftig unter anderem im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes, des Medien- und des IT-Rechts ihre Wirkung entfalten werden. Auch wenn ein Koalitionsvertrag noch weit weg von gesetztem Recht ist, lässt er dennoch zukünftige Leitlinien und die politische Agenda der kommenden Legislatur erkennen.

Daher lohnt sich auch aus anwaltlicher Sicht ein Blick auf die geplanten Neuerungen:

Daten, Forschung und Plattformen

  • Unter dem Punkt „Moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovation“ sollen digitale Bürgerrechte und die IT-Sicherheit gestärkt und ein Recht auf Verschlüsselung eingeführt werden. Zudem sollen Hersteller zukünftig für Schäden haften, die fahrlässig durch IT-Sicherheitslücken in ihren Produkten entstehen.
  • Ein eigens zu gründendes Dateninstitut soll Datenverfügbarkeit und -standardisierung vorantreiben und Datentreuhändermodelle und Lizenzen etablieren. Im Datenrecht und bei der Nutzung von Daten wird das Prinzip von Open Source und Open Data hervorgehoben. So soll zukünftig etwa ein Rechtsanspruch auf Open Data eingeführt werden. Gebietskörperschaften bekommen Zugang zu Daten von Unternehmen, sofern dies zur Erbringung ihrer Aufgaben der Daseinsvorsorge erforderlich ist. Widerspiegeln sollen sich diese Ansätze in Überarbeitungen des BDSG, des TMG, des NetzDG sowie durch eine verstärkte rechtsbildende Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.
  • Der Zugang zu Forschungsdaten für öffentliche und private Forschung soll mit einem Forschungsdatengesetz umfassend verbessert und vereinfacht werden. Plattformen sollen Zugang zu ihren Daten für Forschungszwecke gewähren. „Open Access“ als gemeinsamer Standard soll ein zukünftig wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht prägen.
  • Die neu zu gründende Agentur für Transfer und Innovation (DATI), soll soziale und technologische Innovationen fördern und Ziel ist zudem, Innovationsregionen nach britischem Vorbild zu schaffen Offen zeigt sich die Koalition  für die Etablierung eines German Tech Funds und möchte Plattformen fördern, die nicht verwertete Patente dem Markt bekannt und zugänglich machen.
  • Der Games-Standort Deutschland soll durch verstetigte Förderung gestärkt werden; E-Sport soll gemeinnützig gemacht werden.
  • Die Koalition wird die EU-Whistleblowerrichtlinie konsequent und rechtssicher umsetzen.

Film und Medien

  • Der Filmwirtschaft will man mit steuerlichen Anreizmodellen unter die Arme greifen, gleichzeitig soll die steuerliche Behandlung von Koproduktionen zukünftig rechtssicherer gestaltet werden. Aber auch über Investitionsverpflichtungen denkt die Koalition nach.
  • Eine staatsferne Medienaufsicht und Regulierung soll mit Hilfe des Digital Service Act, Digital Markets Act sowie Media Freedom Act gewährleistet werden, und die Koalition hat sich zur Überprüfung der Machbarkeit einer technologieoffenen, barrierefreien und europaweiten Medienplattform verpflichtet.

UWG und Verbraucherschutz

  • Im Lauterkeitsrecht will man weitere Vorkehrungen gegen den Missbrauch von Kostenerstattungen für Abmahnungen untersuchen.
  • Im Bereich des Verbraucherschutzes hat die Koalition Finanzierungsbedarf im Bereich kollektiver Rechtsdurchsetzung, Marktbeobachtung und Verbraucherbildung ausgemacht und will diesen decken.
  • Sowohl aus Verbrauchersicht als auch aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten begrüßenswert ist das geplante Recht auf Reparatur, das die Koalition rechtlich absichern will, indem Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produkts als erkennbare Merkmale der Produkteigenschaft etabliert werden.

Digitale Wirtschaft und Wettbewerb

  • Im Bereich der Digitalwirtschaft will die Koalition das Level Playing Field durch Anwendung der ambitionierten Regelungen des Digital Markets Acts herstellen. Auch das GWB soll evaluiert und gegebenenfalls weiterentwickelt werden, wobei das Bundeskartellamt gestärkt und das Ministererlaubnisverfahren reformiert werden soll.
  • Zudem will sich die Ampel-Koalition auch dem Rechtsrahmen für Legal Tech-Unternehmen widmen, indem u.a. klare Qualitäts- und Transparenzanforderungen festgelegt werden sollen.
  • Man wird sehen, wie viel sich von diesen Zielen im Politikalltag der kommenden Jahre wiederfindet und wie diese Vorschläge in Gesetze gegossen werden. Dass damit neue Rechtsfragen entstehen, die über diejenigen der bereits heute alltäglichen Digitalisierung weit hinausreichend, liegt auf der Hand. Wir freuen uns auf diese Entwicklung und sind darauf gespannt sie weiter aktiv zu begleiten.

Rohstoffe, Lieferketten und Freihandel

  • Im Bereich der nachhaltigen Rohstoffversorgung soll die Wirtschaft insbesondere dabei unterstützt werden, den heimischen Rohstoffabbau zu erleichtern und ökologisch auszurichten. Hierbei soll insbesondere das ökologische Potenzial des Recyclings umfassend genutzt werden, um den Ressourcenverbrauch zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen.
  • Basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte will die Koalition ein wirksame Regelungen zu Lieferketten auf EU-Ebene fördern, behält dabei aber kleinere sowie mittelständige Unternehmen im Blick. Das nationale Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) soll unverändert umgesetzt und ggf. verbessert werden.

Home-Office und mobiles Arbeiten

  • Das Home-Office soll als eine Möglichkeit der mobilen Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung abgegrenzt werden. Hierbei werden der Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen sowie das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes als wichtige Voraussetzungen angesehen. Insbesondere Coworking-Spaces sieht der Koalitionsvertrag als gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen dar.
  • Beschäftigte mit geeigneten Tätigkeiten sollen einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Home-Office erhalten.
  • Um auf die Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und um die Wünsche von Arbeitnehmerinnen und -nehmern nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung aufzugreifen, sollen Gewerkschaften dabei unterstützt werden, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Die Koalition hält jedoch zunächst am Modell des 8-Stunden-Arbeitstages fest.

Nachhaltigkeit in der Digitalisierung

  • Die Koalition möchte die Potentiale der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit nutzen. Hierzu sollen „digitale Zwillinge“ (bspw. die Arbeit an einem virtuellen Modell eines analogen Produktes) gefördert und so der Verbrauch an Ressourcen reduziert werden.
  • Rechenzentren in Deutschland sollen auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet werden – insbesondere durch die Nutzung der Abwärme. Neue Klimazentren sollen ab dem Jahr 2027 vollständig klimaneutral betrieben werden.
  • Öffentliche Rechenzentren sollen bis 2025 ein Umweltmanagementsystem nach EMAS (Eco Management and Audit Scheme) einführen.
  • Für IT-Zertifizierungen des Bundes möchte die Koalition Zertifizierungen einführen.
  • Ersatzteile und Softwareupdates für IT-Geräte sollen für die übliche Nutzungsdauer verpflichtend verfügbar sein; dies ist nach der Intention der Koalition den Nutzer/Innen gegenüber transparent zu machen.

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